Brückensprache Französisch |
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Die besondere Eignung des Französischen als BrückenspracheIm
Prinzip ist jede romanische Sprache als Transferbasis für die
Interkomprehension geeignet. Dennoch gibt es eine Reihe von
unterschiedlichen Betrachtungsweisen. Im deutschen Bildungssystem ist das
Franzö-sische als L3 besonders weit verbreitet, das Spanische konkurriert
mit diesem Platz erst in jüngster Zeit. Dies allein spricht zwar für
eine französische Brückensprache, rechtfertigt sie aber noch nicht
als optimale Basis.
Jede romanische Sprache hat ihre typolo-gischen Charakteristika, die sie im Einzelfall als Brückensprache für eine spezifische romanische Zielsprache privilegiert. So gibt es im italienischen Nominal- und Verbalsystem sowie in der Phonologie Phänomene, die es als Brückensprache für das Rumänische privi-legieren. Die iberischen Sprachen Spanisch, Portugiesisch, Galicisch (und in gleichem Maße Katalanisch) sind einzeln als Brücken-sprache für die übrigen Mitglieder der Iberoromania besonders geeignet. Katala-nischsprecher (die ohnehin im heutigen Katalonien zweisprachig sind) haben einen besonders effizienten Zugang zur übrigen Iberoromania und zum Italienischen, aber auch zum Französischen und Rumänischen. Als besonders nahverwandt ist für das Katalanische das Okzitanische anzusehen. Die besondere Eignung des Französischen als Brückensprache (s. dazu den Beitrag von H.G.Klein in fh 33, 2002) beruht auf mehreren Kriterien: 1. Der kompetente Französischsprecher verfügt eigentlich über zwei Kompetenzen: über die Kompetenz der Analyse der geschrie-benen Sprache, die als hochgradig panro-manisch zu bezeichnen ist, sowie über die Kompetenz der gesprochenen Sprache, die sich weit vom romanischen Standard entfernt hat und in vieler Hinsicht auch typologisch von der Romania entfernt ist: Dies zeigt sich in vielen Bereichen der Grammatik. Während beispielsweise panro-manisch die Pluralmarkierung endungsorientiert ist (-s oder -i/-e) , beruht diese Differenzierung im gesprochenen Französisch allein auf der Phonemopposition der Vokale in le, la und les. Während panromanisch die Femininmarkierung durch Veränderung des Auslautvokals -o zu -a oder (frz.) -e produziert wird, funktioniert das gesprochene Französische nach einem anderen System: Die weibliche Form gilt als die markierte, in der der Auslautkonsonant ausgesprochen wird, die männliche Form verliert diesen Auslautkonsonant. 2. Auch in der Schriftsprache hat das Französische profilhafte Formen entwickelt, die sich weit von der panromanischen Norm entfernt haben. Man denke an die Frage-einleitung durch est-ce que?, Formen wie qu´est-ce que c´est?, aujourd´hui, jusqu´à ce que, oder an die Topikalisierung (c´est ... qui), die präfigierte Konjugation, die zwar letztlich alle auf Romanisches zurückführbar sind, aber dabei oft Erklärungsakrobatik erfordern. ![]() |
3. Die führende Rolle des Französischen im feudalen Europa, in der
Aufklärung, und das im Französischen ausgedrückte Gedankengut der
Französischen Revolution und die im 18. Jh. geprägten politischen Normen
haben wie keine andere romanische Sprache Lehngut geprägt, das in alle
Sprachen Europas Eingang gefunden hat. Das Rumänische ist hierbei
Spitzenreiter. Keine andere romanische Sprache ist durch das Französische
so stark "reromanisiert" worden wie diese.
4. In der gesamten Romania (ausgenommen zweisprachige Gebiete wie Katalonien) ist das Französische die am meisten verbreitete romanische Fremdsprache. 5. Von keiner romanischen Sprache ausgehend ist es möglich, das gesprochene Französisch zu erschließen, wohl aber das geschriebene. Aus diesen Gründen scheint es besonders sinnvoll zu sein, die romanische Interkom-prehension auf der Basis des Französischen als Brückensprache aufzubauen. Wer eine andere Brückensprachen bevorzugt, erreicht zwar die Lesekompetenz in allen romanischen Sprachen, vermag aber den Sprung von der Lesekompetenz zum Hörverständnis im Falle der Zielsprache Französisch nur sehr einge-schränkt zu erreichen. EuroCom für ein deutschsprachiges Zielpub-likum baut aus diesen Gründen auf dem Fran-zösischen als Brückensprache auf. Eine andere romanische Ausgangssprache ist durchaus möglich, kann aber nicht Voraus-setzung für die Weiterentwicklung zum Hörverständnis des Französischen sein. © 2004 Prof. Dr. Horst G. Klein, Sprecher der Forschergruppe EuroCom |