Etymologien und Wörterbücher

Die historisch-vergleichende Sprachwissen-schaft der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts war geprägt durch eine positivistische Aufwertung naturwissenschaftlichen Denkens. Sprachwandel sollte in zunehmendem Maße als exakte Wissenschaft im Sinne der Naturwissenschaft verstanden werden. Die Junggrammatiker (ursprünglich ein Spottname ihrer wissenschaftlichen Gegner) erarbeiteten sogenannte Lautgesetze, die den Sprachwandel der Ausnahmslosigkeit dieser Gesetze unterwarfen. Hauptthese war, dass Lautwandel phonetisch bedingt und ausnahmlos sei. Ausnahmen zu einem Lautgesetz - so meinte die neogrammatische Schule - sei nur durch die Interferenzwirkung weiterer Lautgesetze oder formaler Analogien oder durch Einflüsse von autochthonen oder fremden Entlehnungsformen möglich. Für die Erforschung der Sprachentwicklung des gesprochenen Latein im Hinblick auf die heutigen romanischen Sprachen war die These von den Lautgesetzen, auch wenn sie in ihrem absolutistischen Anspruch bald als widerlegt galt, ein wichtiger Meilenstein. Die Romanische Philologie verdankt dieser Zeit große Standardwerke wie die Grammatik der romanischen Sprachen (1890-1902) und das Romanische etymologische Wörterbuch (=REW) von Wilhelm Meyer-Lübke (1911). Beide Werke gelten noch heute als wichtige Systematisierung und Materialsammlung zur romanischen Lautentwicklung.
Durch die neogrammatische Schule erlebte die Beschäftigung mit der Ableitung der Wörter und Morpheme einen Höhepunkt, der bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts andauerte.

 

Komplexität der Ableitungen

Um die Komplexität der sprachhistorischen Ableitungen zu dokumentieren, sie hier auf ein Beispiel aus der Französischen Sprachgeschichte von Berschin, Felixberger und Goebel (1978, S. 30) hingewiesen, in dem die Ableitung von klt. hora zu nfr. heure ausführlich in verschiedenen Schritten dargestellt wird.

- Tabelle zur Lautableitung


                                                                

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