Tertiärsprachenerwerb
Weitere Fremdsprachen: L3 - Ln
Lange Zeit wurde der Tertiärsprachenerwerb nicht anders behandelt als der Erwerb einer L2.
Der Perfektionismuswahn in der Spracherwerbsdebatte und die Furcht davor, Interferenzfehler
zu provozieren, tabuisierte die Diskussion um etwaige Vorteile, die aus der Wiederholung
des Erwerbsprozesses resultieren konnten.
Insbesondere in den Schulen war jeder Lehrende besonders darauf bedacht, sein Fachgebiet in Abgrenzung
zu anderen zu sehen. In der Diskussion ging es vor allem um Interferenzfehler, die aus dem Nebeneinander
etwa von Englisch und Französisch entstehen konnten, ferner ging es um die Debatte um die Faux amis,
jene "falschen Freunde", die angeblich eine perfekte Sprachbeherrschung blockieren konnten.
Erst allmählich kam in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, die Vorstellung auf, dass der Erwerb
mehrerer Sprachen einen gewissen Vorteil bieten könnte: Die Multilingualismus-Debatte wurde geboren.
Aus verschiedenen Perspektiven wurden die quantitativen und qualitativen Unterschiede zwischen dem
Erwerb der ersten sogenannten "Fremdsprache" und einer weiteren einer systematischen Untersuchung
unterzogen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen waren eine ganze Reihe von Modellen zum multiplen Spracherwerb.
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Theorien zum multiplen Spracherwerbs
die wichtigsten Modelle sind die folgenden:
- Das dynamische Multilingualismus Modell (Jessner 2002)
Das Modell ist ein psycholinguisitsch fundiertes Modell, das die Entwicklung eines individuellen
Lernprozesses fokussiert.
- Das Role-function Modell (Williams & Hammarberg 1998)
Auch dieses Modell ist psycholinguistisch orientiert und untersucht die Implikationen bei "language
switches" in der L3-Produktion.
- Das oekologische Multilingualismus Modell (Aronin & O´Laoire 2001)
Dieses soziolinguistisch orientierte Modell hält die Faktoren der eigentlichen Lernumgebung für
die entscheidenden: kulturelle Kontexte ermöglichen Mehrsprachigkeit.
- FLAM [Foreign Language Acquisition Model] (Groseva 1998).
Dieses Modell repräsentiert eine Nachfolgediskussion zum kontrastiven Zugang zum Spracherwerbsprozess.
- Das Faktorenmodell (Britta Hufeisen 1998 ff)
Dieses Modell untersucht die verschiedenen Lernszenarien von FS zu FS und isoliert dabei die Faktoren, die
für den Lernsprozess von Relevanz sind.
- Das Galatea Projekt (Dabène, Grenoble 1992 ff)
Es handelt sie hierbei um den ersten Versuch, einer didaktisierten Vermittlung von Mehrsprachigkeitsstrukturen in
nahverwandten Sprachen auf kontrastiver Basis.
- Die Eurocomprehensionsprojekte (Forschergruppe EuroCom seit 2000)
Die Modelle untersuchen die Wirkungsweise der Transferinventare beim Spracherwerb innerhalb der drei großen
Sprachgruppen Europas, der romanischen, der slawischen und der germanischen Sprachen.
Aktuelle Literatur zu den Modellen
- Aronin, L. & Ó laoire, M. (2001). Exploring multilingualism in cultural contexts: Towards a notion of multilinguality.
Section lecture at the Third International Conference on Third Language Acquisition. September 2001. Leeuwarden, NL.
- Dégache, Chr. (ed.) (2003). Intercompréhension en langues romanes. Du développement des cometences de compréhension
aux interactions plurilingues, de Galatea à Galanet.Grenoble: Université Stendhal.
- Groseva, M. (1998). Dient das L2-System als ein Fremdsprachenlernmodell? In: Hufeisen and Lindemann (ed.) (1998), 21-30.
- Hufeisen, B. & Neuner, G. (eds.) (2004). The Plurilingualism Project: Tertiary Language Learning - German after Englisch,
Council of Europe.
- Jessner, U. (1997). Towards a dynamic view of multilingualism. In: Pütz, M. (ed.) (1997), Language choices:
Conditions, constraints and consequences. Amsterdam: Benajmins, 17-30.
- Klein, H. G. & Rutke, D. (eds.) (2004). Neuere Forschungen zur Europäischen Interkomprehension. Aachen: Shaker, Editiones EuroCom vol. 21.
- Williams, S. & Hammarberg, B. (1998). Language switches in L3 production: implications for a polyglot speaking
model. Applied Linguistics 19: 3, 295-333.
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