Phonetik und Phonologie

Phonologie


Die Phonologie (auch Phonemik) genannt ist die Lehre von den Phonemen. Die Phonetik setzt sich mit Sprachlauten (Phonen) aus akustischer und physiologischer Sicht auseinander. Man könnte dabei sogar im Extremfall sagen, dass kein produzierter Laut mit einem anderen identisch ist, berücksichtigt man die individuellen Lautproduktionen: Das Inventar ist theoretisch unendlich.  Die Phonologie hingegen beschäftigt sich mit den klassifizierten Lauten einer einzelnen Sprache, d.h. sie reduziert die Unendlichkeit auf abstrakte Einheiten, die Phoneme, die in einer gesprochenen Kette Bedeutung differenzieren.
Die Einheiten der Phonetik sind die Phone, konkrete Laute, die exakt beschreibbar sind und deren Vielfältigkeit kaum Grenzen gesetzt werden können. Die Einheit der Phonologie ist das Phonem, eine abstrakte oder virtuelle Einheit, die dazu dient, uns das Funktionieren eines Lautsystems einer Sprache x verständlich zu machen. Das Phonem ist der kleinste bedeutungsdifferenzierende Bestandteil einer Sprache. Es besteht aus Merkmalbündeln.
Wenn es in einer Sprache mindestens ein Wortpaar mit unterschiedlichen Bedeutungen gibt, das sich in einem Laut unterscheidet, so kann man hier von einem Phonem sprechen. Die Minimalpaare [po] frz. peau und [bo] frz. beau unterscheiden sich durch die Tatsache, dass bei [po] das Merkmal der Stimmlosigkeit von [p] in Kontrast zu dem Merkmal der Stimmhaftigkeit von [b] in [bo] steht. Daraus kann man schließen, dass das /p/ und /b/ Phoneme der französischen Sprache sind. Man beachte dabei die Schreibkonvention. Laute (Phone) stehen in eckigen (phonetischen) Klammern. Phoneme werden zwischen zwei Schrägstrichen dargestellt: /../.      
Die beiden Phoneme unterscheiden sich durch das Merkmal  stimmhaftig/stimmlos. Man nennt Merkmale, die Phoneme voneinander unterscheiden, distinktive Merkmale.                         

Im klassisch-lateinischen System gab es einen Unterschied zwischen dem kurzen und dem langen o. Dieser Unterschied lag im distinktiven Merkmal der Quantität (kurz/lang) begründet. Das kurze o stand in einer phonologischen Opposition zum langen o: populus mit kurzem o  hieß Volk und populus mit langem o hieß Pappel. Das Merkmal von Kürze und Länge (Quantität) zog sich durch das gesamte Vokalsystem und produzierte Bedeutungsunterschiede nicht nur in der Lexik, sondern auch im Flexionssystem. Der Wegfall des phonologischen Merkmals der Quantität im vulgärlateinischen System infolge des Sprachkontakts mit vielen anderen Sprachen des Imperiums führte zu einer Reorganisation des gesamten Sprachsystems. Die nicht mehr funktionierende phonologische Opposition zwischen langen und kurzen Vokalen veränderte das gesprochene Latein grundsätzlich und führte direkt zu den protoromanischen Sprachen.
Ein Laut kann als die physische Realisierung eines Phonems betrachtet werden. Wenn man im französischen Sprachsystem das Phonem /r/ - wie es in dem Wort Paris vorkommt mit einem Zäpfchen-r-Phon ausspricht, so ist dies korrekt und entspricht dem französischen Normverständnis. Wenn man es mit einem gerollten Zungenspitzen-r (apikales r-Phon) ausspricht, so verändert sich die Bedeutung von Paris nicht. Ebensowenig wird die Bedeutung verändert, wenn man es mit einem deutschen oder einem amerikanischen r-Laut ausspricht. Diese verschiedenen Realisierungen ein und desselben r-Phonems nennt man Allophone . Allophone verändern die Bedeutung des Wortes nicht, aber sie transportieren oft wichtige Signale wie regionale Herkunft, Sozialstatus, Snobismus etc. Es gibt aber auch Allophone, die durch benachbarte Laute bedingt sind, man spricht von distribuitiven Allophonen ein und desselben Phonems.

 

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